Gefühl. Wahrheit. Der Weg zur Heilung. Wie Erwin zur Überzeugung für die Wissenschaft gekommen ist.

Einleitung

Wissenschaft ist oftmals recht negativ bekannt.

Eine Studie hier, wo Ergebnisse beeinflusst und manipuliert werden.

Ein Missverständnis dort, wo gesagt wird: Du kannst mit der Wissenschaft nichts garantieren oder versprechen.

Ja, alle diese Aussagen sind mir bekannt. Und noch viele weitere mehr. Es war meine persönliche Geschichte, die mich die Wahrheit lehrte.

Es ist wahr: Wahrheit liegt oftmals im Auge des Betrachters. Vielfach merke ich, wie sehr diese Wahrheit zu stark von Gefühlen abhängig gemacht wird. Ist es denn etwa ein Gefühl, dass es bei mir messbare Fortschritte gibt im Heilungsprozess bei meiner Querschnittslähmung? Oder kann es denn eine Erkenntnis aus den Gefühlen sein, dass ich auf einmal merkte, dass ich länger stehen, weiter mit meinem Fahrrad fahren und die Akkustufe der e-Unterstützung reduzieren konnte? Wenn ich auf einmal mehr Muskeln bewegen und größere Leistung bringen kann, kann das Gefühl denn wirklich eine gute Basis sein, dass sich diese Dinge bessern?

Jeder mit einem guten Verstand und dem nötigen Blick auf diese messbaren Dinge kann hier schnell erkennen, dass das Gefühl kein gutes Instrument ist, mit dem man diese Dinge erklären kann. Ich habe für diese Fortschritte viele Therapien und Anstrengungen auf mich genommen. Ich erlebe außerdem auch große Nebenwirkungen, die nicht angenehm sind. Während ich mit dem Fahrrad fahre, ist der Harnverlust und Stuhlverlust größer. Natürlich ist auch mir das Gefühl wichtig, doch sie haben einen besser geeigneten Platz, wo ich sie brauche. Mehr dazu später.

Was ist wissenschaftlich?

Ich habe Radiologietechnologie studiert und im Rahmen dieses Studiums zwei wissenschaftliche Arbeiten verfasst. Das waren in der Vergangenheit, in der Zeit vor meinem Unfall 2016, meine ersten Berührungspunkte mit dem wissenschaftlichen Arbeiten. Dass mich später der eigene Heilungsprozess wieder mit der Wissenschaft in Verbindung bringen sollte, war mir damals natürlich nicht bewusst. Doch um zu verstehen, warum ich diese Fortschritte machte, musste ich mich mit der Basis der Wissenschaft beschäftigen. Das Buch „Die Schwerkraft ist kein Bauchgefühl“ von Florian Aigner hat mir unendlich geholfen und aufgezeigt, was die Wissenschaft ist, was sie kann und auch, was sie nicht kann. Ich möchte kurz ein paar Fakten aufzeigen, die seriös betriebene Wissenschaft ausmacht, bezogen auf meine Geschichte, wann immer es sinnvoll ist. 

  • Ergebnisse sind messbar: Zeit ist messbar. Entfernungen sind messbar. Die Zeit, die ich heute stehen kann, hat sich deutlich erhöht. Ich kann in der gleichen Zeit bei gleicher Unterstützung und bei gleicher Steigung deutlich weiter fahren als vor zwei Jahren. 
  • Ergebnisse sind reproduzierbar: Die Ergebnisse, die ich messe, kann ich wieder und wieder messen. Sie sind damit nicht zufällig. 
  • mathematisch beweis- und berechenbar 
  • nicht nur auf Induktion basierend: Ich könnte natürlich sagen, dass es meine Erkenntnisse für mich zutreffen. Doch in meinem Fall nicht zutreffend: Meine Fortschritte sind mess- und reproduzierbar. 
  • falsifizierbar: Meine Erkenntnisse könnten auch falsch sein. 
  • rational hinterfragbar: Macht es in meinem Fall Sinn, rational gesehen, dass immer wiederkehrende Trainings und Therapien Fortschritte begünstigen? 
  • unabhängig von Gefühlen: Ich habe es gemerkt, dass an Tagen, wo ich mich schlecht fühlte, ich genauso weit und schnell fahren konnte wie auch stehen konnte. 
  • statistisch signifikant 
  • logische Zusammenhänge erklärend, die eine Wirkung erklären: Bei jedem Fortschritt, den ich machen durfte, wurde ich ja begleitet von Harn- und Stuhlinkontinenz. Wenn die Ursache meiner Einschränkung hinten im Rückenmark liegt, ist es logisch, dass der Nerv, den ich für meine Bewegungen bemühe, auch Auswirkungen auf Harnblase und Verdauung hat. 
  • verknüpfbar mit anderen logischen wissenschaftlichen Thesen: Hier dazu mehr beim Ausblick auf die Zukunft. 

Wo kommt das Gefühl ins Spiel?

Fühlen ist menschlich. Natürlich fühle auch ich. Ich fühle mich jeden Tag anders. Meine Verfassung ist nicht immer dieselbe. Als ich damals in der Zeit der Rehabilitation mir selbst die Frage stellte, was ich denn eigentlich will, und wie ich mit meiner körperlichen Einschränkung umgehe, entschied ich mich dafür, alles zu geben und an eine Veränderung zu glauben. Ja, ich begann zu glauben, ohne, dass es dafür einen driftigen Grund gab. Das Gefühl, egal, ob ich mich gut oder schlecht fühlte, half mir dabei, immer wieder zu erkennen, dass ich auf diesem Weg des Glaubens bin. Fühlte ich mich gut – wunderbar! Ich genoss es und machte weiter. Fühlte ich mich schlecht – dann halt schlecht. Ich nahm es an und machte weiter. Hier sind Gefühle mächtige Verbündete, Gefühle wie Angst, Zweifel, Unsicherheit, Freude, Dankbarkeit und Hoffnung. Der Glaube steht immer über dem Gefühl. Glaube ich daran, dass ich einmal wieder gehen kann? Glaube ich daran, dass meine Einschränkungen besser werden und zurückgehen? Jedes Gefühl unterstützte mich im Glauben, und jedes Ergebnis (man könnte auch sagen jedes Faktum) bekräftigte mich in meinem Weg. 

Die Zukunft

Aus meiner Überzeugung hat es sich ausgezahlt, die Grundlagen der Wissenschaft noch einmal zu lernen. Durch die Falsifizierbarkeit wusste ich, dass jede Erkenntnis etwas bringen kann. Sie bringt mich der Wahrheit näher, und lässt eigentlich damit keine Rückschläge zu, denn jede Erkenntnis trägt zu etwas größerem bei.  

Die Wissenschaft ist ein mächtiges Werkzeug, das mir geholfen hat, zu erkennen, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Es mag sein, dass ein Teil meines Weges mich in die Wissenschaft bringen wird. Ich habe diesbezüglich noch keine Entscheidung getroffen, doch ich denke, dass auch meine Geschichte und die darin zu findenden Fakten einen Beitrag leisten kann, mit bereits vorhanden logischen wissenschaftlich bewiesenen Thesen Verknüpfungen zu sehen, die wieder ein Stück des Puzzles erklären können. So hat man bereits früher Therapien entwickelt und Heilung durch die Medizin möglich gemacht. 

Ich freue mich auf die Zukunft und auf die darin wartenden Herausforderungen für die Wissenschaft, Querschnittslähmung für alle heilbar zu machen.

 

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